Ein paar Gedanken zum Hungertuch in Sankt Ulrich

Ein Triptychon, schwungvolle schwarze Linien von rechts oben in die Mitte unten, dann wieder aufwärts, gestaltet auf Kranken-Bettwäsche.

Wir sehen einen menschlichen Fuß: Die Knochen sind gebrochen, so wie bei dem Menschen, der bei einer der Demonstrationen in Santiago de Chile 2019 verletzt worden ist. Sein Röntgenbild hat die chilenische Künstlerin Lilian Moreno Sanchez als Vorlage gewählt.

Unsere Füße tragen und stabilisieren uns als aufrechte Menschen, sie hinterlassen ihren Abdruck und halten die Spur. Pilgernd führen sie uns aus der Enge der Angst in die Weite Gottes (Psalm 31).

Ein gutes Bild kann eng gewordene Räume öffnen und Ermutigung sein, neue Wege zu wagen. Die verschlungenen Linien des Bildes ermutigen dazu, sich der eigenen Verletzlichkeit zu stellen, aber auch der Zusage Gottes zu trauen: Egal, wo wir stehen, leben wir in der Weite Gottes.

Beim Anschauen spürt man nicht nur intensiv den Schmerz der Verletzungen, sondern auch die Intensität und Leichtigkeit der Linien, die kämpfen, sich lösen und schließlich befreien.

Die goldenen Blumen greifen das florale Muster der Wäsche auf: zarte und machtvolle Zeichen für das Leben, das erblüht und sich immer neu verschenkt.

Hier ist eine Kraft am Werk, die herausbricht, die sich weiterbewegen und einen Prozess anstoßen will. Das Bild macht Mut, die Füße in den Boden zu stemmen und immer wieder aufzustehen für das Recht. Machen wir uns mit dem Hungertuch auf den Weg! Folgen wir seiner goldenen Spur!

(Claudia Kolletzki)